Bitte zurückspulen – Deutsch-türkische Film- und Videokultur in Berlin
Bitte zurückspulen – Deutsch-türkische Film- und Videokultur in Berlin
Mit der Arbeitsmigration aus der Türkei etablierte sich über die Jahre auch die türkische Filmkultur in Westberlin. Angefangen mit Vorführungen türkischer Filme in Berliner Kinos, eroberte in den 1980er Jahren die Videokassette den Markt. Videoabende wurden zu wichtigen Familienevents, das Video-Verleih-geschäft boomte. Neben dem Import von Filmen aus der Türkei wurden auch in Deutschland Videos produziert, in denen Migrationserfahrungen und Identitätsfragen thematisiert wurden. Diese Publikation widmet sich der Wiederentdeckung dieser deutsch-türkischen Film- und Videokultur, welche die postmigrantische Gesellschaft bis heute prägt.
From the introduction
Aus der Berliner Nachkriegsgesellschaft ist eine postmigrantische Gesellschaft geworden: Migrationsbewegungen haben die Kultur und das öffentliche Leben der Stadt grundlegend beeinflusst. Im Hinblick auf die Heterogenität der Gesellschaft muss so auch die Erinnerungskultur Deutschlands transnational gedacht werden. Die Geschichte der deutsch-türkischen Film- und Videokultur in Westberlin, der sich dieses Buch widmet, ist ein Thema, das bislang gänzlich vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen wurde, obgleich es für zahlreiche Menschen bis heute eine immense (medien-)biografische Rolle spielt.
Ab den 1960er Jahren kam mit der Arbeitsmigration aus der Türkei auch die türkische Filmkultur nach Westberlin. Es begannzunächst mit Filmvorführungen in den Kinos, später in den 1980er Jahren eroberten schließlich türkischsprachige Video- kassetten als willkommene Alternative zum damals ausschließlich deutschen Fern- sehangebot den Markt. In den Familien der sogenannten Gastarbeiter*innen, denen sonst aufgrund der Sprachbarriere nur wenige Kulturangebote zur Verfügung standen, wurden Videoabende vor dem häuslichen Fernseher zu wichtigen Familienevents. Während es in der Türkei zunächst noch keine Videotechnologie im großen Maßstab gab, wurden die Filmrollen importiert und in Deutschland auf Kassette überspielt – und neben dem Vertrieb in Deutschland anschließend oftmals wiederum in die Türkei exportiert. Eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Videokassetten in Berlin spielten die zahlreichen Videotheken, in denen diese Filme angeboten wurden, ebenso wie der „Türkische Basar“ am U-Bahnhof Bülowstraße, wo man neben diversen anderen Importprodukten aus der Türkei auch Videos erwerben konnte. Man kann von einem regelrechten Boom türkischer Videokassetten sprechen, der damals in Westberlin und auch in anderen deutschen Städten ausbrach.
BI’BAK SERIES
bi’bak (Türkisch: Schau mal) ist ein Projektraum mit Sitz in Berlin, mit einem Fokus auf transnationale Narrative, Migration, globale Mobilität und ihre ästhetischen Dimensionen. Das interdisziplinäre Programm von bi’bak bewegt sich an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Gemeinschaft und umfasst Filmvorführungen und Ausstellungen, Workshops sowie musikalische und kulinarische Exkursionen. bi’bak ist als gemeinnütziger Verein organisiert und wurde 2014 von den Künstler*innen und Kurator*innen Malve Lippmann und Can Sungu gegründet. Das kuratierte Filmprogramm, bi’bakino, sowie das Audioprogramm bi’bakaudio haben zum Ziel, transnationale, postkoloniale und postmigrantische Perspektiven aufzuzeigen. Mit geladenen Expert*innen aus Kunst, Film und Wissenschaft wird ein differenzierter, nicht eurozentrischer Blick auf Gesellschaft und Kulturgeschichte ermöglicht. bi’baxchange bietet eine Plattform für Kulturakteure und Projekte und initiiert grenzüberschreitende Kollaborationen. bi’bakwerk arbeitet mit innovativen, ortsbezogenen Vermittlungskonzepten, die auf eine gleichberechtigte Beteiligung und den Austausch von Ideen, Wissen und Kreativität zielen. bi’bak’s recherchebasierte Ausstellungen nehmen wenig beleuchtete Narrative und Perspektiven in den Blick, die für ein differenziertes Verständnis sozialpolitischer und sozioökonomischer Zusammenhänge weltweit entscheidend sind. bi’bak wurde 2017 und 2020 von Berliner Senat für Kultur und Europa als Projektraum ausgezeichnet.